SteRnenkind

In wilder Hast und rasendem Galopp stob die flüchtende Truppe um das Schloß herum. Die Pferde keuchten unter der schweren Last der hastig zusammengepackten Bürde. Staub wirbelte unter den Hufen auf und verbarg die Gruppe, als diese aus dem Blickfeld verschwand. Es wurde Abend. Die Dämmerung breitete sich langsam aus. Die Nebelfetzen stiegen aus dem benachbarten Wald empor und hüllten alles in eine undurchdringliche bleierne Masse. Nur schemenhaft erkannte man die steinernen Treppen, die zum Tor der Burg emporführten. Auf der untersten Stufe lag ein Bündel. Eng zusammengeschnürt und in der Flucht vom Pferd gefallen, lag es verloren auf der untersten Stufe da. Ein Wimmern war zu hören, dann hüllte sich die Nacht in Stille. Die alten Bäume ächzten manchmal, die Vögel schwiegen, alles hatte sich zur Ruhe gelegt.

 

Es wurde kalt. Das Kind lag, wie durch ein Wunder unverletzt geblieben, weil es so fest eingeschnürt war, da wie ein Paket. Die Arme und Beine hatte man vollkommen mit Stoffen umwickelt. Eisig und leblos waren die Glieder, es wimmerte tonlos vor sich hin. Vorsichtig bewegte es die steifen Finger. Sonst konnte es sich nicht rühren. Wie eine Puppe lag es da, unfähig sich zu bewegen. Nur den Kopf konnte es seitlich etwas hin und her drehen. Ihm fror bis ins Mark hinein. Reglos lag es da und wartete auf irgendetwas.

 

Als der Morgen graute, spähte eine alte Frau durch eines der schmalen Fenster auf die Treppe. Hastig winkte sie ein Mädchen herbei und deutet auf das Kind. Das Tor wurde aufgeschoben und das Mädchen trat ins Freie. Sie hob das Kind auf, verbarg es unter ihrem Mantel und huschte so schnell sie konnte die Gänge entlang, die Treppen hinunter in die warme Küche, tief unter der Burg. Dort wartete schon die Alte. Gemeinsam wickelten sie so schnell sie konnten das Kind aus seiner mumienhaften Verpackung. Es war ein Mädchen. Vorsichtig begannen sie seine Glieder zu reiben um es aufzuwärmen. Etwas warmes Honigwasser wurde ihm eingeträufelt, dann hoben sie es gemeinsam in einen Trog mit warmem Wasser und wuschen es sorgfältig von Kopf bis Fuß.

 

 

Das Kind fühlte sich besser. Die Kälte war aus seinem Körper verschwunden, man hatte es weiter mit Honigwasser versorgt. Es saß in warme Decken gehüllt auf der warmen Ofenbank und blickte um sich. Ein Diener kam herein, brachte Kleidung, gemeinsam zogen die beiden Frauen das Kind an und trugen es empor in den großen Saal. Es war die Kleidung eines Knaben.